
Umfeld
Als Retailbank ist die Raiffeisen Gruppe in einem dynamischen Umfeld tätig. Sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse als auch verschiedene gesellschaftliche und branchenspezifische Trends wirken sich mittel- bis langfristig auf die Aktivitäten von Raiffeisen aus. Im Jahr 2022 dominierten insbesondere die makroökonomischen Entwicklungen, die zunehmenden geopolitischen Spannungen und das Thema Nachhaltigkeit.
Dynamisches Wirtschafts- und Marktumfeld
Das Jahr 2022 brachte zahlreiche grundlegende Veränderungen im Wirtschafts- und Marktumfeld mit sich. Insbesondere die angespannte Energiesituation und die eingeleitete Zinswende prägten den Markt.
Das wirtschaftliche Umfeld fordert
Der Krieg in der Ukraine, die Pandemie und zunehmende geopolitische Spannungen haben die Welt 2022 bewegt. In diesem Umfeld haben die starke Güternachfrage aufgrund der pandemiebedingten Aufholeffekte, der Unterbrüche in globalen Lieferketten sowie nicht zuletzt der Energiepreisschock infolge des Krieges in der Ukraine den Preisdruck weltweit erhöht. Die Inflation hat zu einer geldpolitischen Straffung im Jahr 2022 geführt.
Viele Notenbanken haben die Leitzinsen ungeachtet der konjunkturellen Abwärtsrisiken nach längerem Zögern schliesslich schnell erhöht. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) haben die Abkehr vom Tiefzinsniveau eingeleitet, womit aufgrund erhöhter Zinserwartungen auch die Langfristzinsen rasch stärker zulegten. Der verhaltene Preisdruck in der Schweiz hat zu einer im internationalen Vergleich moderateren Straffung der Finanzierungskonditionen geführt.
Die Aufholeffekte nach der Pandemie haben den privaten Konsum in Europa bis in den Spätsommer noch kräftig angeschoben. Auch die Schweizer Wirtschaft konnte ihre robuste Erholung fortsetzen, womit das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um rund zwei Prozent zulegen konnte. Die gestiegenen Energiepreise sowie die schwächelnde globale Nachfrage hinterliessen gegen Jahresende jedoch immer mehr Spuren. Die erhöhte Inflation belastete bei gleichzeitig moderaten Einkommenszuwächsen insbesondere die Kaufkraft der weniger gutverdienenden Haushalte. Der Inflationsanstieg in der Schweiz fiel mit einer Jahresrate von 2,8 Prozent im internationalen Vergleich moderat aus.
Die Raiffeisenbanken spüren aufgrund des herausfordernden Umfelds und der hohen Unsicherheit in den Märkten einen erhöhten Informations- und Beratungsbedarf, gerade bei Kundinnen und Kunden, bei denen wichtige finanzielle Entscheide rund um das Eigenheim oder die private Vorsorge anstehen.
Die starke Güternachfrage im angespannten wirtschaftlichen Umfeld hat den Preisdruck weltweit erhöht.
Trotz Zinswende unverändertes Preisniveau am Eigenheimmarkt
Die SNB hat ihren Leitzins seit Mitte letzten Jahres mehrmals angehoben. Damit haben sich mittlerweile auch die Geldmarkthypotheken spürbar verteuert. Bereits zuvor sind die Zinsen für langfristige Festhypotheken aufgrund der erwarteten Leitzinserhöhung stärker gestiegen als die Zinsen für Geldmarkthypotheken. Trotz der höheren Finanzierungskosten als noch vor der Zinswende und der damit verbundenen erschwerten Erschwinglichkeit zeigt sich die Nachfrage nach privatem Wohneigentum stabil. Da ausserdem seit längerer Zeit das Angebot an Wohneigentum knapp ist, zeichnet sich keine starke Korrektur bei den Eigenheimpreisen ab.
Die Wohnungsknappheit ist wegen der in den letzten Jahren rückläufigen Neubautätigkeit und der weiterhin hohen Zuwanderung auch zunehmend auf dem Mietwohnungsmarkt zu spüren. Vielerorts herrscht schon jetzt ein akuter Mangel an Wohnraum, ohne Aussichten auf eine baldige Entspannung.
Im Hypothekargeschäft ist Raiffeisen in den letzten Jahren wie angestrebt auf Marktniveau gewachsen. Es gilt der Grundsatz Sicherheit vor Rentabilität und Wachstum. Die Raiffeisenbanken verfolgen eine vorsichtige Kreditvergabepolitik. Die Tragbarkeitsberechnung basiert auf einem kalkulatorischen Zinssatz von fünf Prozent. Diese Regeln gelten unverändert, um eine Hypothek zu erhalten. Damit wird sichergestellt, dass Hypothekarnehmerinnen und -nehmer die Finanzierungskosten auch bei steigenden Zinsen tragen können.
Trotz Zinswende bleibt die Nachfrage nach Wohneigentum in der Schweiz hoch.
Positive Marktaussichten – einige Fragezeichen bleiben
Die volatilen Märkte und die wirtschaftlichen Unsicherheiten bremsten insbesondere das hohe Wachstum im Vorsorge- und Anlagegeschäft deutlich. Übergreifend bleiben die Erfolgsaussichten für das Retailbanking aber weiterhin positiv. So kompensiert die Erholung des Zinsgeschäfts beispielsweise die tieferen Einnahmen aus dem Vorsorge- und Anlagegeschäft. Im Bereich Wohnen bleiben die Zinsmargen aufgrund des anhaltend hohen Wettbewerbs unter Druck und das Volumenwachstum wird im nächsten Jahr aufgrund der höheren Finanzierungskosten etwas tiefer erwartet.
Daneben kommen trotz der unklaren Erfolgsaussichten weiterhin neue Neobanken auf den Schweizer Markt. Sie gewinnen an Bekanntheit und unterstützen die Veränderung der Kundenerwartungen.
Marktentwicklungen und Trends
Die Retailbanken befinden sich seit einiger Zeit im Wandel. Mit der Digitalisierung verändern sich die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden grundlegend. Der Wettbewerb nimmt zu. Branchenfremde Mitbewerber wie Versicherungen und Pensionskassen mischen im Hypothekargeschäft mit. Neobanken erhöhen mit ihren digitalen Angeboten die Kundenanforderungen. Mit der Strategie «Raiffeisen 2025» reagiert Raiffeisen auf diese Entwicklungen.
Erwartungen an Transparenz, unternehmerische Verantwortung und
Nachhaltigkeit nehmen zu
Das Kundenverhalten befindet sich im Wandel. Kundinnen und Kunden nutzen immer mehr digitale Self-Service-Lösungen und informieren sich im digitalen Raum. Die grössere Transparenz, die Vergleichbarkeit und die Angebotsvielfalt haben Folgen: Kundinnen und Kunden sind preissensibler und vermehrt bereit, ihre Hausbank zu wechseln. Um dem Kundenbedürfnis nach digitalen Lösungen Rechnung zu tragen, investiert Raiffeisen substanziell in den Ausbau des digitalen Kundenzugangs und der digitalen Self-Services. Bis 2025 werden alle digitalen Services auf einer App zur Verfügung stehen.
In Bezug auf die Nachhaltigkeit steigen die Anforderungen ebenfalls: Die Gesellschaft erwartet von Unternehmen zunehmend sichtbare und glaubwürdige Initiativen bezüglich unternehmerischer Verantwortung. Sowohl Neobanken als auch die etablierten Banken haben auf diese Veränderung reagiert. Im Retailbanking stehen dabei vor allem nachhaltige Anlageprodukte, Wohneigentumsberatungen und die Messung und Kompensation von CO2 im Fokus. Auch im Kredit- und Emissionsgeschäft orientieren sich Finanzdienstleister verstärkt an Nachhaltigkeitskriterien.
Sustainable Finance wird vom Eidgenössischen Finanzdepartement als grosse Chance gewertet und der Bund möchte den Schweizer Finanzplatz im internationalen Vergleich als verantwortungsbewussten und nachhaltigen Finanzplatz positionieren. Raiffeisen unterstützt im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie das Pariser Klimaabkommen und die klimaneutrale Schweiz. Heute sind bereits rund 95 Prozent des Gesamtvolumens aller Raiffeisen-Fonds nachhaltig angelegt.
Die Preissensibilität und Wechselbereitschaft der Kundinnen und Kunden nimmt weiter zu.
Intensivierter Wettbewerb um die Kundenschnittstelle
Finanzdienstleister investieren verstärkt in Zahlungsverkehrslösungen. Neobanken und Technologieunternehmen nutzen die neuen technologischen Möglichkeiten, um ihre Dienstleistungen im Zahlungsverkehr auszuweiten. Darüber hinaus nutzen Nichtbanken wie beispielsweise grosse Einzelhändler verstärkt «Embedded Finance»-Ansätze. Dabei werden Finanzdienstleistungen wie Zahlungsabwicklung, Ratenzahlungen oder Versicherungen beim Produktekauf nahtlos in die Angebote integriert. Den Kredit zum Möbelkauf gibt es beispielsweise direkt beim Möbelhändler, oder Autohändler bieten beim Kauf eines Neuwagens eine Versicherung an.
Des Weiteren bauen vor allem Banken und institutionelle Mitbewerber wie Versicherungen oder Pensionskassen ihren Kundenzugang im Bereich Wohnen durch neue Kooperationen weiter aus. Insgesamt hat jedoch die Dynamik in der Vernetzung von Finanzdienstleistern und Immobilienspezialisten wieder etwas abgenommen. Bei den Plattformen ist für die kommenden Jahre im Schweizer Markt eine Konsolidierung zu erwarten. Raiffeisen bietet verschiedene Hilfsmittel und Service-Leistungen für alle Bedürfnisse rund um das private Wohneigentum an. In der Immobilienvermarktung arbeitet Raiffeisen mit der Raiffeisen Immo AG zusammen. Die Raiffeisen Immo AG begleitet und unterstützt Kundinnen und Kunden beim Verkauf von privatem Wohneigentum in allen Schritten.
Mit neuen Technologien werden Lösungen rund um die Abwicklung von Zahlungen ausgeweitet.
Zunehmende Digitalisierung von Vertriebs- und Dienstleistungsmodellen
Im Schweizer Bankenmarkt etablieren sich zunehmend neue digitale Vertriebs- und Dienstleistungskonzepte. Sowohl die Videoberatung als auch die Nutzung von privaten Kurznachrichtenkanälen werden bei Kundinnen und Kunden immer beliebter. Die orts- und zeitunabhängige Kundeninteraktion wird bestehende Kanäle und Formate im Privat- und Firmenkundengeschäft ergänzen.
Im Bereich der digitalen Anlagelösungen spielen sogenannte «Robo Advisors» weiterhin nur eine marginale Rolle. Verschiedene Anbieter haben in den letzten Monaten hybride Anlagelösungen (digitale Vermögensverwaltung in Kombination mit physischer Beratung) angekündigt. Ausgehend von den Bedürfnissen ihrer Kundinnen und Kunden hat Raiffeisen die Lösungspalette im Vorsorge- und Anlagegeschäft im vergangenen Jahr komplettiert. Neben der klassischen Vermögensverwaltung bietet Raiffeisen beispielsweise mit der digitalen Vermögensverwaltung Rio eine Anlagelösung an, die bereits ab einem Investitionsvolumen von 5’000 Franken zur Verfügung steht.
Technologie: Fokus auf IT-Infrastruktur und Automatisierung
Die grossen technologischen Sprünge blieben 2022 aus. Disruptive Technologietrends wie Blockchain haben sich bislang noch nicht auf breiter Front durchgesetzt. Gleichzeitig gerieten im letzten Jahr Kryptowährungen aufgrund der jüngsten Kurseinbrüche noch mehr unter regulatorischen Druck. Wegen ihrer Volatilität und ihres hohen Energieverbrauchs sind digitale Währungen schon seit ihrer Entstehung heftiger Kritik ausgesetzt.
Banken investieren weiterhin konsequent in die Optimierung ihrer IT-Infrastruktur und die Automatisierung von Basisprozessen. Dabei entstehen branchenübergreifende technische Schnittstellen, die zukünftig einen effizienten Austausch von Daten im geregelten Rahmen erlauben sollen.
Digitalisierung schafft eine neue, veränderte Arbeitswelt
Insbesondere auf dem Arbeitsmarkt zeigte sich die Schweizer Wirtschaft als sehr robust. Die Arbeitslosenquote in der Schweiz befindet sich auf einem sehr tiefen Niveau, und somit ist der derzeit verfügbare Arbeitskräftepool klein. Damit spitzt sich der seit Jahren bestehende Fachkräftemangel in der Schweiz weiter zu. Davon betroffen sind verschiedene Branchen wie das Gesundheitswesen, das Gastgewerbe, die Informations- und Kommunikationstechnik, aber auch das Finanzwesen. Für die Umsetzung der umfassenden Digitalisierungsvorhaben von Banken sind speziell IT-Fachkräfte sehr wichtig.
Daneben verändern die Digitalisierung und der gesellschaftliche Wandel die Arbeitswelt. Arbeitgeber sind dabei mit zwei Entwicklungen konfrontiert: Sie müssen den Herausforderungen der Digitalisierung ebenso gerecht werden wie den individuellen Ansprüchen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an eine sinnstiftende Arbeit. Dieser Wandel betrifft die Unternehmenskultur, das Führungsverständnis und den Umgang mit Kompetenzen, die es für die neue Arbeitswelt braucht. Im Rahmen der Gruppenstrategie hat Raiffeisen in einer gemeinsamen Kulturentwicklung ihre Führungsprinzipien neu erarbeitet.
Um ihre Digitalisierungsvorhaben voranzutreiben, sind für Banken Fachkräfte sehr wichtig.
Weiterhin hohe regulatorische Anforderungen
Steigende regulatorische Anpassungen erfordern zusätzliche Expertise und Ressourcen. Die Kapital-, Liquiditäts- und Compliance-Anforderungen der Banken werden kontinuierlich verschärft, wobei für Raiffeisen als systemrelevante Bankengruppe zusätzliche Anforderungen bestehen. Raiffeisen setzt bei der Implementierung von regulatorischen Änderungen auf eine effiziente, technologie- und datenbasierte Umsetzung und investiert in die Automatisierung und Digitalisierung von Compliance-Prozessen. Die Raiffeisen Gruppe ist sehr gut kapitalisiert. Sie übertrifft sowohl die heutigen als auch die ab 2026 gültigen regulatorischen Anforderungen an systemrelevante Banken primär mit Kapital der höchsten Qualitätsstufe.